Husten
Lesung bei den Salzburger Festspielen 2006
Textauszug
Sarah: Das ist doch kindisch. Was würde denn fürchterliches passieren, wenn Sie die Tür aufmachen?
Thomas: Das weiß man nie.
Sarah: Aber was wär das schlimmste, was Sie sich vorstellen?
Thomas: Der Briefträger.
Sarah: Der Briefträger? Was ist denn so furchtbar am Briefträger?
Thomas: Was ist so furchtbar am Briefträger? Alles ist furchtbar am Briefträger! Zuerst tät er grüßen, ich müsste ihn zurückgrüßen, dann tät er mich fragen, warum nach 10 Jahren, in denen er immer auf die Klingel, ich jetzt auf einmal die Tür aufmache, ich müsst ihm eine Antwort sagen, dann würd er fragen, warum ich bis jetzt zehn Jahre lang nicht die Tür auf, obwohl das das selbstverständlichste auf der Welt ist, darauf müsst ich ihm auch eine Antwort , dann würd er mir seine Meinung dazu, dass ich zehn Jahre lang die Tür nicht auf, dann erst würd er mir die Post geben und wieder grüßen, ich müsst ihn wieder zurück und dann würd er endlich gehen, würd sich aber von zehntausend Kunden mich natürlich besonders merken, am nächsten Tag hätt ich sozusagen schon die Verpflichtung, dass ich die Tür auf, weil er sich sonst Sorgen machen würde, er würde mich ausgehend vom heutigen ersten Gespräch in ein neuerliches zweites Gespräch und noch mehr über mich und ich noch mehr über ihn, irgendwann würd er mir dann von seiner Ehe und von seinen Kindern undsoweiter, es liegt völlig auf der Hand dass man die Tür nicht aufmachen kann.
Stille.
Sarah: Sie könnten ihm aber gleich nach dem ersten Satz sagen, dass Sie mit ihm nicht reden wollen, sondern nur die Post.
Thomas: Das kann ich nicht. Ich kann nur nicht aufmachen.